Sehr geehrte Mitglieder des Oekumenischen Europa-Centrums und Mitglieder des Kuratoriums,

sehr geehrte Ehrengäste, meine sehr verehrten Damen und Herren,

dass ich am heutigen deutsch-polnischen ökumenischen Festgottesdienst zum 25. Jubiläum unseres Oekumenischen Europa-Centrums nicht persönlich anwesend sein kann, bedaure ich sehr. Ich bin in dieser Woche mit einer Viadrina-Delegation in der Ukraine. Wir besuchen unsere Partneruniversitäten in Lwiw und Kiew, um bestehende Partnerschaften zu vertiefen und neue Kooperationen anzubahnen. Auch in Zeiten vielfältiger elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten ist die persönliche Begegnung immer noch entscheidend, um unterschiedliche Perspektiven kennen zu lernen und zu einem besseren wechselseitigen Verständnis zu kommen.

Die Ukraine ist uns sehr nah. Mir sind noch die Bilder der „orangenen Revolution“ in Erinnerung. Mit großem Optimismus haben wir, Deutsche und Polen, damals auf die Ukraine geschaut. In Słubice hingen Ukrainische Fahnen mit dem orangenen Band der Freiheit. Das war im Jahre 2004, in dem Jahr in dem auch Polen der Europäischen Union beitrat und dieses Ereignis auf beiden Seiten der Oder mit einem Volksfest in Frankfurt (Oder) und in Słubice gleichzeitig begrüßt wurde. Um Mitternacht vom 30. April auf den 1. Mai begrüßten die damaligen Außenminister beider Länder, Wlodzimierz Cimoszewicz und Joschka Fischer auf der Stadtbrücke den EU-Beitritts Polens, nachdem sie zuvor auf Einladung meiner Vorgängerin im Amt der Präsidentin, Gesine Schwan, an einer Podiumsdiskussion zu den Visionen eines gemeinsamen Europas in der Konzerthalle teilgenommen hatten.

Das ist nun 15 Jahre her und man könnte schon etwas wehmütig werden, wenn man sich an die damalige Begeisterung für ein gemeinsames Europa erinnert. Heute blicken wir mit Sorge auf die Europäische Union und fragen uns, wie wir die Risse in und zwischen den europäischen Gesellschaften überbrücken können und das notwendige Maß an Einigkeit finden, um die drängenden Probleme der Gegenwart zu bearbeiten.

Wir dürfen uns in unserem Einstehen für die europäische Idee nicht beirren lassen. Wir bleiben optimistisch: Auch, weil Sie heute alle gekommen sind, um das 25. Gründungsjubiläum des Oekumenischen Europa-Centrums zu feiern, das 1994 von engagierten Christen und Europäern gegründet wurde. Das Oekumenische Zentrum hat sich in seiner Satzung mit der Präambel genau dem Geist verpflichtet, der heute nötiger denn je ist:

„Die länderübergreifende geistige Auseinandersetzung mit Themen wie Werteorientierung, Bildung, Erziehung, kulturelle Identitäten, Konfessionalität, gemeinsame Zukunft der Nachbarstaaten und die Versöhnung zwischen Menschen im europäischen Raum genießen besonderes Augenmerk.“

Unsere Hoffnung ruht auch auf der nächsten Generation, den jungen Menschen, die selbstverständlich in einer Europäischen Union ohne Grenzen aufwachsen, die offen sind, sich auf andere Sprachen und Kulturen einzulassen und das Verbindende in den Mittelpunkt stellen. Das Oekumenische Zentrum leistet dazu einen wichtigen Beitrag: Im Studien- und Gästehaus „Hedwig von Schlesien“ wohnen und leben auch Studierende aus der Viadrina. Sie pflegen dort ihr Bedürfnis nach einem geistigen Leben und treffen auf Gleichgesinnte. Ihr Blick wird offener für die Vielfalt des Christentums und für andere Kulturen, vor allem in Osteuropa. Ich erlebe dies immer wieder im Gespräch mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses.

Die aktuellen politischen Ereignisse in der Welt und das Wiedererstarken nationalistischer und anti-europäischer Bestrebungen, ja sogar von Rassismus und Antisemitismus mitten unter uns erfüllen mich mit großer Sorge.  Vieles, was wir überwunden geglaubt haben, zeigt sich mit erschreckender Stärke: Ich denke hier ganz besonders an den Anschlag auf eine Synagoge in Halle in der vergangenen Woche. Solche erschreckenden Gewalttaten aber auch der polarisierte öffentliche Diskurs führen uns vor Augen, wie wichtig Friedens- und Versöhnungsarbeit ist. Der vom Oekumenischen Zentrum mitveranstaltete Gottesdienst aus Anlass des 80. Jahrestags des deutschen Überfalls auf Polen in der Friedenskirche hat dazu ein deutlich sichtbares und notwendiges Signal gesendet.

Die Europa-Universität Viadrina ist dem Oekumenischen Europa-Centrum seit seiner Gründung, an der der damalige Rektor Hans N. Weiler wesentlich beteiligt war, eng verbunden. Ich möchte mich heute bei den vielen Menschen bedanken, die in den vergangenen 25 Jahren im Oekumenischen Europa-Centrum gewirkt haben und immer noch wirken. Ich freue mich darauf, im Februar nächsten Jahres in einem Grenzgespräch mit Ihnen über die Ukraine in Europa diskutieren zu können.

Dem Oekumenischen Europa-Centrum wünsche ich weiterhin ein erfolgreiches Wirken für ökumenisches, interkonfessionelles und völkerverbindendes Verständnis. Ihnen und uns allen wünsche ich weiterhin eine gute Zusammenarbeit und ein friedliches und respektvolles Miteinander in unserer deutsch-polnischen Doppelstadt Frankfurt / Słubice.

Ihre
Julia von Blumenthal