Tag 1. Am Mittwoch, 12. September, war um 8 Uhr Treffpunkt an der Friedenskirche zur Abfahrt mit dem Busfahrer Herrn Łukasz Michalski vom Fuhrunternehmen Gajewski in Slubice. Während der Fahrt trug Werdin sein Referat über den letzten deutschen Generalsuperintendenten der Ev.-Unierten Kirchenprovinz Posen, Paul Blau (1861-1944), vor und nutzte zum geistlichen Geleit auf der Reise die Gedichte desselben aus dem Bändchen „Du meine Seele singe“. Um 11 Uhr war Ankunft in Poznań, Hotel Dorrian, (ul. Stanisława Wyspiańskiego 29, 60-751 Poznań) und in der Ev.-Augsb. Gemeinde, (ul. Obozowa 5, 60-101 Poznań). Dann trafen wir uns am Adam-Mickiewicz-Denkmal zum 1. Teil des Stadtspaziergangs mit der kenntnisreichen, charmanten und sehr gut deutsch sprechenden Stadtführerin Katarzyna Tymek. Sie führte uns zu den umliegenden preußischen Gebäuden, wie die ehemalige Königliche Akademie – heute die Adam-Mickiewicz-Universität, das ehemalige Ev. Vereinshaus, die Oper, die ehemalige Preußische Ansiedlungskommission und das Kaiserschloss mit Führung im Schloss. Nach dem Mittagessen in der Mensa der Universität schloss sich der zweite Teil des Stadtspaziergangs an, nun in Richtung des Polnischen Theaters und ehemaligen deutschen Theaters, zum denkwürdigen Bazar-Gebäude, zum Alten Markt und zur umfänglich sanierten barocken Pfarrkirche. Frau Tymek führte uns souverän und mit Humor und machte uns in unverkrampfter Art mit der Stadtgeschichte der letzten 100 Jahre bekannt. Danach gingen wir zur ehemaligen evangelischen Kreuzkirche, heute röm.-kath. Allerheiligenkirche, und begegneten dem Zeithistoriker Prof. Olgierd Kiec, einem großen Kenner der Geschichte der evangelischen Kirche in Posen. Mit ihm kam die ganze Gruppe ins Gespräch. Am Abend entspannten wir beim Abendbrot im Restaurant „Rynek 95“ am Alten Markt.
Teilnehmer: 30 Deutsche, 7 Polen
Tag 2. Donnerstag, 13. September. Der Vormittag wurde nach einem Geleitwort und Gebet von Sup. i. R. Christoph Bruckhoff einem Besuch im Institut für Nationales Gedenken, IPN, (ul. Rolna, Gespräch auf Polnisch, Herr Dr. Lietz hat gedolmetscht) mit Frau Agnieszka Kołodziejska, Abteilung für Politische Bildung, gewidmet. Sie stellte uns das IPN vor, wir besichtigten das Archiv und diskutierten zu aktuellen Fragen des öffentlichen und didaktischen Umgangs mit der neuesten Geschichte. Es stellte sich in späteren Gesprächen untereinander heraus, dass die Reiseteilnehmer von der derzeit vorherrschenden dezidiert monolithischen statt einer multiplen Sicht auf die Nationalgeschichte im IPN eher überrascht und sogar befremdet waren. Es überwog aber der Respekt gegenüber der Tatsache, an diesem Platz im Original diese nationalzentrische Stimme vernommen zu haben. Nach der Mittagspause in der Mensa der Universität begaben wir uns zum Fort VII, dem ersten deutschen Konzentrationslager im besetzten Polen. Dort empfing uns der sehr aufgeschlossene und freundlich Direktor, Herr Grzegorz Kucharczyk, der auch, wie wir später erfuhren, zwei Geistliche noch dazu gebeten hatte: den Vikar der Ev.-Augsburgischen Gemeinde Marcin Liberacki und den katholischen Pfarrer von der Steyler-Mission, ks. Wojciech Grzymisławski, der uns durch die Gedenkstätte mit anregenden Meditationen begleitete. Der Rundgang fand seinen Abschluss in einer ökumenischen Andacht an der ehemaligen Erschießungswand. Das war für alle mehr als ergreifend. Danach konnten wir uns an einem Tisch zu einer Tasse Kaffee oder Tee versammeln und miteinander noch ins Gespräch kommen. Das war für alle sehr wichtig und eindrücklich. Ein Journalist von Radio
Poznań, Herr Jacek Kosiak, hat darüber einen sehr schönen Beitrag gesendet. Danach ging es ins Hotel Olimpia zum Abendbrot.
Teilnehmer: 30 Deutsche und 7 Polen
Tag 3. Freitag, 14. September. Wir besuchten die Jüdische Gemeinde und trafen auf deren Leiterin, Frau Alicja Kobus (Poznańska Filia Związku Gmin Wyznaniowych Żydowskich w RP, ul. Stawna 10, 61-759 Poznań). Mit herzlichen Worten führte sie uns in den neu eingerichteten Betsaal in dem Gebäude, das die Gemeinde durch die Restitution hatte wiedererlangen können und berichtete uns von den Anfängen vor 20 Jahren und dem Leben der Gemeinde bis heute. Frau Kobus erlebten wir nicht nur als ein Multitalent in Organisationsfragen, sondern auch als eine mit vielen öffentlichen Mandaten ausgestattete Person, u. a. auch als Präsidentin des Verbandes der Jüdischen Friedhöfe in Polen. Nach einer individuellen Mittagspause fuhren wir in die Puszcza Zielonka zu den zwölf historischen Holzkirchen, und haben zwei für unsere Reise ausgesucht. Zunächst besuchten wir Kicin, wo uns Pfr. Marian Sikora (ul. Kościelna 2, 62-004 Kicin) in Geschichte und Gegenwart der historischen Holzkirche aus dem frühen 18. Jahrhundert und in die des Ortes in den letzten 100 Jahren bis heute einführte. Er zeigte uns auch das neu gebaute Gemeindehaus und erzählte von den Plänen eines Kirchneubaus, der sich behutsam in das bestehende historische Ensemble einfügen muss. Kicin verzeichnete bislang wachsenden Zuzug aus der Metropole Poznań. Danach fuhren wir weiter nach Długa Goślina, wo uns Pfr. Jan Kwiatkowski (62-097 Długa Goślina) im Kirchenzelt empfing, weil die historische Holzkirche gerade aufwändig mit Unterstützung der Denkmalpflege der Wojewodschaft Wielkopolska saniert wurde. Er erzählte sehr engagiert von folgendem Ereignis, das in der Gemeinde sehr aufmerksam wahrgenommen wurde. Es kam Anfang des Jahres zu einer Begegnung der Tochter von „Gerechten unter den Völkern“ mit derjenigen jüdischen Frau, die während der Naziokkupation gerettet wurde und jetzt in Israel lebt. Anlässlich dieser Begegnung wurde von der Kirchengemeinde eine Bank gestiftet, auf der die beiden Damen Platz nahmen. So steht die Sitzbank heute im öffentlichen Raum als ein Denkmal, das zu Besinnung und Ruhe einlädt. Eine Gemeindegruppe mit dem Pfarrer ist daraufhin einer Einladung folgend nach Israel gefahren. Dann wurden wir in das Dorfgemeinschaftshaus zur Kaffeetafel eingeladen, wo bereits die Ortsvorsteherin mit fünf Frauen und vier Herren auf uns wartete. Dazu kam extra aus Murowana Goślina der Bürgermeister Dariusz Urbański gefahren und begrüßte uns herzlich. Nach der Begegnung im Dorfgemeinschaftshaus fuhren wir nach Poznań zurück, nahmen in der Mensa der Universität das Abendbrot ein und gingen in das Festkonzert in der Aula der Universität, anlässlich von 1050 Jahren des Bestehens des ersten Bistums in Polen, nämlich in Poznań. Gleichzeitig tagte an diesem Wochenende auf der Posener Dominsel der Rat der Konferenz der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) unter dem Thema: „Der solidarische Geist Europas“. Staatspräsident Andrzej Duda und Premier Mateusz Morawiecki haben der Konferenz ihre Aufwartung gemacht. In Poznań stand der öffentliche Verkehr wegen der weitläufigen Absperrungen so gut wie still.
Hier das Programm des Festkonzertes: „Phantasie zum 1050. Jahrestag der Gründung des ersten Bistums in Polen“
Joanna MARCINKOWSKA – Klavier; Ilona Krzywicka – Sopran; Knaben- und Männerchor der Posener Philharmonie, Posener Nachtigallen; Chorleitung: Maciej WIELOCH, Dirigent: Rafał Jacek DELEKTA; Philharmonisches Orchester Posen
Programm:
Karol Kurpiński: Ouvertüre zur Oper „Jadwiga, Królowa Polska“ (Hedwig von Anjou – polnische Königin)
Fryderyk Chopin: Große Phantasie über polnische Weisen A-Dur, op. 13 für Klavier und Orchester
Wojciech Kilar: Angelus für Sopran, Chor und Orchester; Victoria für Chor und Orchester
Teilnehmer in Długa Goślina: 30 Deutsche und 12 Polen, incl. Bürgermeister
Tag 4. Sonnabend, 15. September, wir trafen nach der morgendlichen Meditation vom Vereinsvorsitzenden im Stadtteil Wilda Pfarrer Marcin Węcławski (kath. Königin-Maria-Kirche im Stadtteil Wilda/1907–1945 evangelische Matthäikirche) zur Kirchenbesichtigung und zum ökumenischen Morgengebet. Der Pfarrer zeigte uns seine Dachbodenfunde, Archivalien von vor 100 Jahren, und erzählte von den bewegenden Begegnungen anlässlich der Einhundertjahrfeier der Kirche im Jahre 2007, auf der eine Gedenktafel für die vormaligen deutschen evangelischen Nutzer der Kirche angebracht wurde. Auf dem Kirchturm konnten wir die originale Turmuhr der Firma J. F. Weule, Bockenem 1906, mit ihrer ungebrochenen Ganggenauigkeit besichtigen und durch den offenen Turmumgang die Aussicht auf die weitläufige Stadt genießen. Danach wurden wir von einer „Bambergerin“, einer Mitarbeiterin des IPN, zur Stadtführung in den Spuren des Großpolnischen Aufstands 1918/1919 vom gleichnamigen Denkmal zu einer historischen Straßenbahn geführt, die uns zu allen wichtigen Schauplätzen brachte. Ihre Vorgesetzte, Frau Kolodziejska, war die ganze Zeit neben ihr. Auf die Frage, wie viele Opfer durch den Aufstand auf deutscher Seite zu verzeichnen seien, wusste sie keine Antwort. Dieser zweite ausführliche Stadtspaziergang mündete in einen offenen, individuellen Nachmittag ein, der sein geselliges Ziel im gemeinsamen Abendbrot im Restaurant „Gospoda Poznańska“ am Alten Markt fand.
Teilnehmer: 30 Deutsche, 14 Polen
Tag 5. Sonntag, 16. September, Wir nahmen an dem Gottesdienst der Evangelisch-Augsburgischen Gemeinde teil, die einen Festgottesdienst anlässlich des 14. Jahres der Kirchweih ihrer Kirche mit Gemeindezentrum feierte. Aus diesem Anlass kam Bischof Waldemar Pytel aus der benachbarten Diözese Wrocław als Festprediger, für uns ein herzliches Wiedersehen mit dem Partner unserer Kirche. Der Vorsitzende des OeC, Sup. i. R. Christoph Bruckhoff, sprach ein Grußwort an die versammelte Gemeinde. Nach dem Mittagessen im Hotel Olimpia fuhren wir zum Schloss Kórnik, wo wir mit unserer Touristenführerin des ersten Tages, Frau Tymek, an einer Schlossführung teilnahmen. Auch hier bekamen wir einen nochmals persönlichen Blick auf die Geschichte Polens in dieser Region durch die Adelsfamilien Działyński und Zamoyski. Zur Abrundung fuhren wir noch weiter zum Schloss Rogalin, um das Kutschenmuseum anzuschauen und im wunderbar weit angelegten Schlosspark zu spazieren, dabei die drei altehrwürdigen Eichen zu begutachten: Lech, Czech und Rus. Letztere sah aber immer noch am besten aus, weil am sie wenigsten durch Sturm oder Blitzschlag beschädigt war wie „Lech“ oder gar ganz ausgetrocknet und tot, wie „Czech“. Die Abendbrottafel im Hotel Dorrian hat uns diesen Sonntag nicht nur abgerundet, sondern vor allem durch die Freundlichkeit des Personals, den gemeinsamen fröhlichen Rundgesang verschiedenster Volkslieder und die plötzlich aufgetretenen schauspielerischen Fähigkeiten einiger Reiseteilnehmer gekrönt.
Teilnehmer an der Begegnung im und nach dem Gottesdienst: 30 Deutsche und 80 Polen
Tag 6. Montag, 17. September bot uns die letzte Möglichkeit die Dominsel und vor allem die Kathedrale zu besichtigen. Hier hielten wir auch unsere Andacht zum Abschluss unserer Reise und zum Aufbruch zur Heimfahrt. Dann ging es weiter Richtung Westen, Werdin fasste die Eindrücke der Reise und über alles zum Thema der Studienfahrt Vernommene mit einem Gedicht von Paul Blau zusammen. Wir machten dann Halt im Kloster Paradyż, dem Priesterseminar, und trafen auf Pfr. Dr. Grzegorz Kuźmicki, dem Spiritual. Er führte uns in den Klostergarten und berichtete uns aus Geschichte und Gegenwart des Klosters und Seminars. Weiter leitete er uns in das Refektorium zum Mittagessen und danach in die Kapelle, um mit uns geistliche Fragen zu besprechen, wie z. B. die Ausbildung des Pfarrernachwuchses. Auf der Weiterfahrt von dort machten wir noch einen Halt in Łagów, um individuell den Nachmittag zu verbringen mit Spazieren am See und/oder Kaffeetrinken in einem der vielen einladenden Cafés. Warum nicht auf der altehrwürdigen Johanniterburg? Unser Fahrer Łukasz Michalski führte uns dann sicher nach Hause, wo wir in Frankfurt/O. pünktlich nach Programm um 18 Uhr wieder eintrafen.Teilnehmer an der Begegnung im Priesterseminar: 30 Deutsche und 13 Polen
Dr. Justus Werdin
Referent für grenzüberschreitende Ökumene