Zu den Alleinstellungsmerkmalen von Frankfurt (Oder) gehört der Tatbestand, dass für alle drei historischen Innenstadtkirchen in der DDR-Zeit von der Kommune mit dem Evangelischen Kirchenkreis ein Erbrechtsvertrag auf 99 Jahre abgeschlossen wurde. Die ehemalige Franziskaner Klosterkirche wurde zu einer Konzerthalle umgewandelt, die Nutzung der damaligen Marienkirchruine und der Friedenskirche blieb offen. Es bildeten sich Bürgerinitiativen, die sich die Frage zu Eigen machten: „Wie können wir diese beiden historischen und auch stadtbildprägenden Kirchen erhalten, aufbauen und einer geeigneten Nutzung zuführen?“ In einer Stadt, die im Zuge des Krieges und der Nachkriegszeit viel Altbausubstanz verloren und eine markante sozialistische Überbauung erfahren hatte, war für die Aktivisten die Erhaltung der historischen Bauten eine Herzensangelegenheit. Schließlich handelte es sich bei der Friedenskirche um das älteste Bauwerk der Stadt, welches auf dem Grund einer ersten Kirche gebaut wurde, die schon 1226 errichtet wurde. Vor über 800 Jahren wurde sie schon dem Heiligen Nikolaus gewidmet, dem Schutzpatron der Schiffer und Kaufleute. Als ca.20 Jahre später der Bau der Marienkirche begann, und mit der Stadtgründung 1253 auch ein neuer Markt mit einem Rathaus entstand, sprach man von der Nikolaikirche als Unterkirche am Untermarkt und von der Marienkirche als Oberkirche am Obermarkt. Damit wurde der Obermarkt mit der Marienkirche zum eigentlichen Stadtzentrum, wo sich das öffentliche Leben abspielte. Das hatte Auswirkungen auf die Unterkirche, die dann die kleinere Schwester wurde, auch mit dem zweiten Bau, der einen nur einschiffigen, dreijochigen und hinten flachgehaltenen Chor hatte. Noch heute kann man am Giebel Nischen mit Heiligenbildern sehen, die die Menschen begrüßten, wenn sie aus dem Osten über die Oder nach Frankfurt(Oder) kamen. Dieser alte Giebel ist später mit dem neuen Choranbau überbaut worden. Dadurch haben sich die Bilder weitestgehend erhalten. Die Nikolaikirche verlor aber auch ihre Bedeutung, als mit der Reformation die Votiv- oder auch Privatmessen an den 20 Altären wegfielen und die inzwischen lutherische Kirchengemeinde in die Franziskanerkirche zog, die ja erst 1525 erweitert und verschönt worden war. Damit begann ein Verfall und in der Folge auch eine Neunutzung als Kornspeicher, Gefängnis, Krankenlager und auch Pferdestall für durchziehende Truppen im 30jährigen Krieg. Der große Kurfürst setzte 1656 mit 200 Dragonern gegen den Widerstand der Stadt durch, daß die inzwischen entstandene reformierte Kirchengemeinde calvinistischen Bekenntnisses dort Ihre neue Bleibe fand. Später kamen mit dem Edikt von Potsdam 1685 auch Hugenotten nach Frankfurt, die einen eigenen Saalbau vor die Kirche setzten. Mit den wechselnden Beamten, die regelmäßig in unsere Stadt kamen, bildete sich dann im Gegensatz zu den Ortsgemeinden, auch Parochialgemeinden genannt, eine Personalgemeinde, die bis 1945 bestand. Diese gab sich 1929 den Namen Friedenskirchengemeinde. Während es 1931 noch 1500 Gemeindeglieder gab, wurden in den neunzehnhundertfünfziger Jahren nur noch 4 Personen gezählt, denn auch die Gläubigen aus der Dammvorstadt, die in die Friedenskirche gegangen waren, fielen weg. Mit einem kirchlichen Wiederaufbauproramm unter Mithilfe schwedischer Kirchen wurde die Friedenskirche 1958/59 renoviert und weiß getüncht. Bis 1974, zum Evangelischen Kirchentag, nutzte die Georgenkirchgemeinde diese Kirche, obwohl sie ihre eigene Georgenkirche hatte, und gab sie dann wegen fehlender Gemeinde auf. Die Folge waren wieder Vandalismus und zunehmende Zerstörung. Pläne der neuen Stadtregierung von 1990, dort die Sammlung der historischen Musikinstrumente von Kaiser-Reka auszustellen, wurden verworfen. Nach diesem kurzen historischen Rückblick auf 800 Jahre der ehemaligen Nikolai- und heutigen Friedenskirche sind wir wieder in der Zeit vor 30 Jahren angelangt. Schon am 7.September 1990 wurde der Förderverein St. Marienkirche gegründet, der sich u.a. die Erarbeitung eines Stiftungskonzeptes zur Aufgabe stellte. Das Ergebnis wurde dann 1993 in der Denkschrift zur Gründung der Stiftung Marienkirche unter dem Titel „Die Zukunft der Marienkirche“ veröffentlicht. In Sachen Friedenskirche kam es erst 1993 zu ernstzunehmenden Aktivitäten. Der Auslöser war ein Gespräch der Denkmalspfleger Dinse und Rätzel mit dem damaligen Superintendenten Christoph Bruckhoff im Dezember 1992 über eine mögliche zukünftige Nutzung der Friedenskirche. Dieser hatte die Idee, dort an dem exponierten Ort am Grenzübergang nach Polen ein deutsch-polnisches Begegnungszentrum aufzubauen. Ziel könnte es sein, hier an der empfindlichen und emotional so besetzten Grenze ein offenes Gesprächsforum zu ermöglichen, in dem das schmerzliche Verhältnis zwischen Deutschen und Polen nun ideologiefrei thematisiert und vielleicht auch aufgearbeitet werden kann. Erst wenige Wochen vorher hatte der Präsident der Europäischen Gemeinschaft, Jacques Delors den berühmten Satz formuliert:
„Wenn es… nicht gelingt, Europa eine Seele zu geben, es mit einer Spiritualität und einer tiefen Bedeutung zu versehen, dann wird das Spiel zu Ende sein. Ich lade die Kirchen ein, sich daran aktiv zu beteiligen. Ich möchte einen Ort des Austauschs schaffen, einen Raum für Diskussion, der offen ist für Männer und Frauen, für Gläubige und Nichtgläubige, für Wissenschaftler und Künstler…“
Dieses Wort hatte uns damals sehr bewegt und unsere Überlegungen über die zukünftige Nutzung der Friedenskirche beeinflusst. Dabei war mir die Wunde, die es zwischen Deutschen und Polen gab, als aktiver Teilnehmer an der Versöhnungsarbeit in den Lagern der Aktion Sühnezeichen sehr bewusst. Erlauben Sie mir auch an dieser Stelle stichwortartig einige historische Anmerkungen:
1939 begann der 2.Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen. Stichworte: Westernplatte in Danzig, Sender Gleiwitz, Luftangriff auf die Kleinstadt Wielun. Auch in der Zeit der deutschen Besetzung hatte Polen sehr zu leiden: Germanisierungskampagnen, Umsiedlungen, Errichtung vieler KZs, Auschwitz usw.
Mit dem Potsdamer Abkommen 1945 erlebte Polen eine erneute Teilung. Ostgebiete blieben russisch. Ukrainer, Lemkis und andere Volksgruppen und natürlich Polen wurden in das ehemalige deutsche Gebiet zwangsumgesiedelt. Auch eine Vertreibungsgeschichte. Die Oder-Neiße-Grenze wurde lange nicht vom Westen anerkannt. 1950 kam der Görlitzer Vertrag zwischen der DDR und Polen, eine sogenannte „Kalte Freundschaft“. 1972 Visafreiheit zwischen DDR und Polen, 1980 erneute Schließung der Grenze. Eine lange Leidensgeschichte zwischen Deutschen und Polen liegt hinter uns. Wir dürfen dabei auch nicht die polnischen Teilungen vergessen, bei denen Polen unter Russland, Österreich und Deutschland aufgeteilt wurde, Von 1772 – 1918, also 123 Jahre gab es keinen eigenen polnischen Staat. In dieser Zeit ersetzte die katholische Kirche den polnischen Staat.
Die Oder-Neiße-Friedensgrenze war eine nicht historisch gewachsene Grenze und brachte auf beiden Seiten Akzeptanzprobleme mit sich.
Vor allem in Deutschland: verlorenes Gebiet und Vertriebenenproblematik.
Bei den Polen entstand eine „Koffermentalität“, sie litten auch unter Heimatverlust. Der polnische Staat entwickelte ein ideologisches Repolonisierungsprogramm. Seine These: „In Wahrheit handelt es sich um urpolnisches Gebiet, in das die Polen nun rechtmäßig zurückgekehrt sind. Es ist unsere angestammte Heimat.“ Das Programm der Repolonisierung wurde u.a. auch durch die Namensgebung „Lebuser Land“ unterstrichen. Es wurde auf die ersten Piastenherzöge als Herrscher dieses Gebietes Bezug genommen. Boleslaw Schiefmund hatte einst das Lebuser Bistum gegründet.
In Deutschland trauerten viele Vertriebene um ihre Heimat und konnten die Grenze nicht akzeptieren.
1957, mitten in der Zeit des kalten Krieges, gründete der Präses der Magdeburger Synode, Lothar Kreyssig, die Aktion Sühnezeichen und organisierte Jugendaufbaulager in ehemals überfallenen Ländern. Viele Lager fanden auch in der DDR statt, weil unsere Reisemöglichkeiten sehr begrenzt waren.
1965 gab es eine EKD Denkschrift mit dem Titel: „Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn.“ Dieser Denkschrift ging 1961 das EKD Memorandum mit der Aufforderung, die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen, voraus. Inhalt der Denkschrift ist die Versöhnung. Im gleichen Jahr, in dem das 2.vatikanische Konzil stattfand, antwortete die polnische Bischofskonferenz mit einem Brief an die deutsche Bischofskonferenz. Der ursprüngliche Plan, den evangelischen Bischöfen zu schreiben, wurde durch Intervention der deutschen Bischofskonferenz verworfen. Dieser polnische Brief war ein Bekenntnis zur westlichen Kultur mit der Botschaft der Vergebung und des Neuanfangs. Der am meisten zitierte Satz lautet: „In diesem allerchristlichen und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zuendegehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung. Und wenn Sie, deutsche Bischöfe und Konzilsväter, unsere ausgestreckten Hände brüderlich erfassen, dann erst können wir mit ruhigem Gewissen in Polen auf ganz christliche Art unser Millenium feiern. Wir laden Sie dazu herzlichst nach Polen ein.“ Einige Zeilen vorher: „Überbringen Sie auch, wir bitten Sie darum, unsere Grüße und unseren Dank den deutschen evangelischen Brüdern, die sich mit uns und mit Ihnen abmühen, Lösungen für unsere Schwierigkeiten zu finden.“ Übrigens hatte der polnische Staat den polnischen Bischofsbrief verurteilt und als Angriff auf sich verstanden. Die Antwort der deutschen Bischofskonferenz fiel sehr zurückhaltend und belehrend aus. Zu viel Rücksicht wurde auf die Vertriebenen genommen. 1970 kam der Kniefall Willy Brandts vor dem Denkmal für die Aufständischen im Warschauer Ghetto, ein Symbol mit großer Wirkung. Damit verbunden war die neue Ostpolitik der BRD mit dem Vertrag über die Grundlagen der Normalisierung. Dabei kam es zur Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze mit Friedensvertragsvorbehalt. 1990 wurde die Oder-Neiße-Grenze bestätigt.
In der DDR-Zeit erlebte man auch in Frankfurt(Oder) das Wirtschaftsgefälle und ärgerte sich über polnische Einkäufer. Diese negative Einstellung gegenüber Polen erlebte ich auch noch 1991, als ich nach Frankfurt kam und es keine Begeisterung gab, dass der Deutsche Evangelische Kirchentag einen Kongress hier abhalten wollte unter dem Titel: „Deutsche und Polen auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa!“
1991 fand auch in der Konzerthalle die Vortragsreihe: „Nachdenken über Europa“ unter der Leitung von Peter Merseburger statt, die ich als eine große Horizonterweiterung erlebte.
Ein Fazit des Kirchentagskongresses war: „Gerade nach den politischen Veränderungen im östlichen Teil Europas muss das Gespräch zwischen den Menschen unterschiedlicher nationaler, geistiger und konfessioneller Herkunft intensiviert werden, will ein Zusammenwachsen Europas gelingen.“
Kurze Zeit später machte das Wort des damaligen Präses der Rheinischen Kirche, Peter Beier, die Runde: „Um Europa nicht bekümmert zu sein, sich nicht zu kümmern um seine politische, kulturelle und soziale Zukunft, heißt, eben diese Zukunft dem bloßen ökonomischen Denken auszuliefern. Anzeichen für eine mögliche Fehlentwicklung gibt es genug.“
In einer Veröffentlichung der Leitungsgruppe des Konziliaren Prozesses beim Rat der Kirchen in den Niederlanden 1991 zum Thema: „Glauben in Europa“ wurden in dieser Situation konsequent folgende Fragen gestellt: „Was können die Kirchen zur Heilung und Erneuerung Europas beitragen? Wie sieht unser Zeugnis heute aus? Wie gehen die Kirchen mit der Verknüpfung von Religion und Nationalismus um? Worin besteht unsere alle Grenzen überschreitende Gemeinsamkeit?“
Diese Fragen waren für alle, die an einer Grenze lebten, die jahrelang für den Normalbürger gesperrt war, nicht akademische sondern existentielle Fragen. Es gab eine lange Geschichte von gegenseitigen Vorurteilen. Die Gesprächsbereitschaft hielt sich damals bei vielen Frankfurtern in Grenzen. Diese Fragen zu stellen, war auch für viele Gemeindeglieder nicht selbstverständlich.
Mit der Gründung der Europauniversität 1991 kam auch der Wunsch nach einem Lehrstuhl für ökumenische Theologie auf, der aber mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die meisten polnischen Studierenden katholisch seien. Als dann Vertreter der Stadt bei mir anfragten, ob die evangelische Kirche nicht die Friedenskirche zurückhaben will, die ja in der DDR-Zeit für 99 Jahre an die Stadt in Erbpacht verpachtet war, kam mir nach dem Gespräch die Idee, dort ein ökumenisches Europa-Centrum aufzubauen. Mit ihrer zentralen Lage an der Grenzbrücke zu unserem Nachbarland, bot sie sich ideal als Studien- und Begegnungszentrum für all die schon genannten Fragestellungen an. So kam es zur Bildung einer Initiativgruppe, in der von Anfang an Vertreter der in der Ökumene verbundenen Kirchen, der Stadt und der Europauniversität mitarbeiteten. Parallel dazu bemühten wir uns mit Pfarrer Hans Michael Hanert um den Aufbau einer Ökumenischen Studierendenarbeit, kurz ÖSAF genannt.
Am 27.September 1994 kam es in den Räumen des Georgengemeindehauses zur Gründung des „Förderkreises Oekumenisches Europa-Centrums Frankfurt (oder) e.V. Bis heute gehören die drei genannten Gruppierungen mit jeweils einem Vertreter als geborene Mitglieder zum Vorstand. Ziel des Förderkreises war der Aufbau eines Oekumenischen Europa-Centrums in der Friedenskirche. Ein Jahr später hatten wir zusätzlich ein Kuratorium gebildet, in dem bedeutsame Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft mitarbeiten. Es ist uns damals gelungen, alle deutschen und polnischen Bischöfe unserer Grenzregion für die Mitarbeit zu gewinnen, vom Kardinal zu Berlin bis zum orthodoxen Bischof in Breslau. Natürlich gehören die evangelischen Bischöfe auch dazu, zusammen mit den Vertretern der evangelischen und katholischen Akademie. Aus der Politik konnten wir neben den jeweiligen Oberbürgermeistern u.a. den damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe gewinnen, der bis zu seinem Tod treu dabei war. Die Universität wurde durch ihren Rektor, Professor Hans Weiler, vertreten, der uns von Anfang an in unserem Anliegen sehr unterstützt hatte. Diese Unterstützung erfuhren wir dann auch durch die Präsidentin Prof. Gesine Schwan und ihre Nachfolger/innen. Mitglied des Kuratoriums wurde u.a. auch Ulrich Junghanns, damals Bundestagsabgeordneter. Er vermittelte uns einen Besuch des Bundespräsidenten Roman Herzog in der Friedenskirche, um ihm unser Projekt vorzustellen.
Es wurde uns bald klar, dass wir die klassischen Aufgaben eines Förderkreises überschreiten und parallel schon konkrete grenzüberschreitende Projekte anstoßen und realisieren müssen. So kam es dann auch zur Bildung einer extra Programmgruppe. Übrigens war der Aufbau der deutsch-polnisch zusammengesetzten Gremien schon eine Herausforderung und eine nicht zu unterschätzende Brückenarbeit. Die Freude war groß, als wir auch den katholischen Bischof der Diözese Zielona Gora und Gorzow mit im Boot hatten. Seit einigen Jahren ist auch der polnische Katholische Studierendenpfarrer Mitglied im Vorstand. So entstanden nach und nach ein Netzwerk von Beziehungen und die daraus resultierenden Aktivitäten, über die ich jetzt berichten möchte.
Auf Vorschlag des damaligen Rektors Professor Hans Weiler begannen wir als erstes mit unseren Grenzgesprächen, zu denen wir Referenten diesseits und jenseits der Grenze einladen. Inzwischen haben wir schon 135 Grenzgespräche führen können. Als Referenten konnten wir in den ersten Jahren u.a. auch die damalige polnische Justizministerin Dr. Suchocka und den tschechischen Bildungsminister Prof. Pitha aus Prag gewinnen, einen ehemaligen Untergrundpriester. Stolz waren wir, als wir 2012 in einem Grenzgespräch eine Premiere ermöglichen konnten. Es war das erste Mal, dass ein polnischen Staatsanwalt öffentlich in Frankfurt(Oder) auftrat. Zwischen dem damaligen leitenden Oberstaatsanwalt , Herrn Weber, dem Vertreter der Polizeidirektion Ost, Herrn Beluda und ihm gab es in der Friedenskirche eine rege Diskussion zum Thema: „Grenzüberschreitende Kriminalität in einem freien Europa.“ Auch konnten wir das damalige Mitglied des Bundestages Herrn Boosbach zu dem außenpolitischen Thema Deutschland Polen begrüßen. Eine gute Zusammenarbeit konnten wir mit dem Deutsch-Polnischen Forschungsinstitut im Collegium Polonicum aufbauen und gemeinsame Veranstaltungen im CP und in der Friedenskirche anbieten. Leider wurde das Institut nach fünfjährigem Bestehen aufgelöst. Unvergessen ist auch ein Podiumsgespräch zu europäischen Fragen mit Gesine Schwan und Krzysztof Wojciechowski unter der Moderation von Akademiedirektor Dr. Rüdiger Sachau anlässlich unserer 20-Jahrfeier.
Vor wenigen Wochen, ganz aktuell, gab es eine Podiumsdiskussion zum geplanten Zukunftszentrum, an der auch Frau Präsidentin Prof. Julia von Blumenthal und unser OB Rene Wilke teilnahmen.
Ein zweiter Schwerpunkt wurde die Organisation von grenzüberschreitenden Gottesdiensten und Gemeindebegegnungen. Seit vielen Jahren wurde der Pfingstmontag, der ein fester Tag für die Frankfurter Ökumene und ursprünglich mit holländischen Partnern war, zu einem festen Begegnungstag mit unseren polnischen Partnern. Eingeladen werden u.a. unsere Partner aus den Gemeinden in Gorzow, einschließlich des KIKs Gorzow, dem Klub der katholischen Intelligenz, und Gemeinden aus Zielona Gora und unsere Partner vom katholischen PriesterseminarParadies. Unvergessen ist mir ein ökumenischer Gottesdienst anlässlich des 1000.Martyriumsgedenkens des Heiligen Adalbert in der evangelischen Gertraudenkirche, an der über 40 polnische Christen teilnahmen, darunter verschiede Amtsträger wie dem Stadtdirektor und dem Polizeipräsidenten von Glogow. Als Protestant wusste ich nicht, wie segensreich Heilige noch nach so vielen Jahren wirken können. Der Heilige Adalbert, der zusammen mit der Heiligen Hedwig vom Altarschrein aus dem Gottesdienst beiwohnte, wird seine helle Freude gehabt haben.
Aus solchen Begegnungen wuchsen dann auch festere Beziehungen. So werden wir regelmäßig zu ökumenischen Veranstaltungen von unseren Partnern nach Polen eingeladen. Auch konnten wir Partnerschaften zwischen Kommunen vermitteln. In Gorzow hatte sich nach dem Frankfurter Vorbild auch ein Ökumenischer Rat gebildet, mit dem wir uns seitdem regelmäßig treffen. Ein fester Termin ist unser Treffen zur Gebetswoche für die Einheit der Christen im Kloster Paradies, in Gorzow und in Zielona Gora. Dazu lädt inzwischen der katholische Diözesanbischof persönlich ein. Regelmäßig werden wir an den ökumenischen Gottesdiensten aktiv beteiligt. Vom KIK Gorzow werden wir jährlich im Januar zum Oblatebrechen eingeladen, einer polnischen Tradition zum Weihnachtsfest. Von den vielen guten Begegnungen kann ich hier nur exemplarische erzählen. Der Adalbertgottesdienst war auch der Anstoß für eine weitere Aktivität unseres Vereins, nämlich unsere jährlichen Exkursionen oder auch Pilgerreisen. So führte uns unsere erste Pilgerfahrt nach Gnesen/ Gniezno, dem Ort, wo im Jahr 1000 der deutsche Kaiser Otto III. mit Boleslaw Chroby zusammentraf und das erste polnische Erzbistum gegründet wurde und der Bruder von Adalbert, Radim, zum Erzbischof ernannt wurde. Im Zusammenhang des 1. Deutschen Ökumenischen Kirchentages ist von einer Initiativgruppe, die wir sehr unterstützt hatten, ein jährlicher ökumenischer Pilgerweg entstanden. Zwischen den beiden Feiertagen St. Johannis und St. Peter und Paul machen sich nun schon seit 19 Jahren Pilger von Magdeburg nach Gnesen und umgekehrt auf den Weg. Da der Weg durch unsere Stadt geht, ist eine Station in der Regel auch in der Friedenskirche. Der letzte Erzbischof von Gnesen, auch Primas von Polen, hatte es sich 2005 nicht nehmen lassen, persönlich nach Lebus zukommen, dem Ort des ehemaligen, seinem Erzbistum unterstellten Bischofssitzes Lebus. Das führte dazu, dass auch der katholische und evangelische Bischof aus Magdeburg und Bischof Huber aus Berlin und der evangelische Bischof aus Breslau dazu kamen. Eine wunderbare Begegnung, an der auch hunderte von Menschen teilnahmen. Es war ein eindrückliches Symbol, als vorher der Erzbischof mit einer Pilgergruppe in einem Boot die Oder nach Lebus überquerte. Das war für alle Teilnehmer ein unvergesslicher Moment. Inzwischen wird der deutsch-polnische Pilgerweg unter dem Dach des OEC organisiert.
Unserer Pilgerfahrt nach Gnesen folgten dann jährlich mehrtägige Fahrten zu unseren östlichen Nachbarn nach Polen, aber auch in das Baltikum, nach Weißrussland, in die Ukraine (wir standen in Kiew auf dem Maidan und besuchten die Evang. Kirche, in die dann nach dem Aufstand viele geflüchtet sind ), nach Tschechien, Bulgarien und Rumänien. Wir waren bemüht, immer auch mit polnischen Partnern unterwegs zu sein. Die Begegnungen waren meist am intensivsten, wenn Deutsche und Polen gemeinsam ohne Heimvorteil reisten und ein Stück gemeinsames Leben praktizierten. Unvergesslich ist mir eine Fahrt nach Lemberg, an einen Ort, der auch einmal polnisch war. In Gesprächen konnten manche Polen von nun an besser die Situation der Deutschen verstehen, die auch aus ihrer Heimat flüchten mußten. Jahrelang nahmen auch niederländische Partner an unseren Fahrten teil. 2006 waren wir mit 60 Teilnehmern aus drei Nationen im Königsberger Gebiet und in Litauen. Immer besuchen wir verschiedene Gemeinden, um ihre besondere Situation kennenzulernen und, wenn gewünscht, vermitteln wir auch Kontakte nach Deutschland. So haben sich auch schon Gemeindepartnerschaften herausgebildet. 1913 waren wir auf den Spuren von Nikolaus Kopernikus unterwegs, einer Persönlichkeit, die für uns alle interessant ist.
Unter dem Thema „100 Jahre Unabhängigkeit Polens“ führte uns unsere Exkursion 2018 nach Poznan. Dort hatten wir u.a. eine sehr bewegende deutsch-polnische ökumenische Andacht vor der Erschießungswand des ersten KZs in Polen im Fort VII, von der die polnische Presse ausführlich berichtet hatte. Den Journalisten konnten wir sogar zu einem Grenzgespräch nach Frankfurt (Oder) einladen. Anlässlich von „80 Jahren Überfall auf Polen“ waren wir 2019 unter dem Motto „ Wer Frieden gewinnen will, muss Freunde gewinnen“ in Oberschlesien und hatten u.a. auf dem Gelände vom Sender Gleiwitz dem Kriegsbeginn gedacht. Das Motto ist einem Zitat von Karl Dedecius entnommen. Diese Fahrt hatten wir zusammen mit der Karl-Dedecius-Stiftung durchgeführt, die ihren Sitz an der Viadrina hat. Inzwischen ist diese Stiftung ein fester Partner unseres OEC. Ihre Direktorin, Frau Dr. Ilona Chechowska, ist Mitglied im Vorstand und arbeitet auch leitend in der Programmgruppe mit. Im September diesen Jahres hatte sie zusammen mit Herrn Dr.Lietz unsere Fahrt nach Breslau organisiert, auf der wir auch Gespräche mit Vertretern der Breslauer Universität hatten, die ja 1811 mit dem Umzug der Viadrina gegründet wurde.
Auf Initiative des Studierendenpfarrers Dr. Rafal Mocny findet seit fünf Jahren ein jährlicher Kreuzweg über die Oderbrücke statt, der im Wechsel von Slubice nach Frankfurt und umgekehrt durchgeführt wird. Am letzten Kreuzweg nahmen rund 700 Deutsche und Polen teil.
Eine weitere Aktivität unseres Vereins ist das Studien- und Gästehaus Hedwig von Schlesien. Im Jahr 2000 hatten wir ein mit EU-Geldern renoviertes Haus übernehmen können und darin ein Studien- und Gästehaus für Studierende der Viadrina eingerichtet. Hier leben in einem Projekt junge Menschen verschiedener Nationen und Konfessionen inzwischen aus der ganzen Welt in einer Art geistlichen Gemeinschaft in Selbstverwaltung zusammen. Ein großes Ereignis war, als sich dort eine Pole und eine Ukrainerin verliebten und sie in Czernowicz geheiratet hatten und viele dorthin gereist waren. Hedwig von Schlesien ist auch eine der bedeutsamen Symbolfiguren für ein gutes Miteinander von Deutschen und Polen, die auch in dem polnischen Bischofsbrief eine bedeutsame Rolle einnahm.
Aus dem guten Geist des Hauses heraus hatte sich u.a. eine internationale Solidaritätsaktion für eine ehemalige Bewohnerin dieses Hauses entwickelt, die in Warschau einen schweren Verkehrsunfall hatte. So war es möglich, ihr bei notwendigen Operationen in München finanziell zu helfen.
Mit dem Hedwigshaus ist auch die Ökumenische Studierendenarbeit verbunden, die auch eng mit der Slubicer Studierendengemeinde im Parakletos-Haus zusammenarbeitet.
Nun komme ich zur Friedenskirche. Mit Hilfe von Interreg III A –Mitteln konnten wir mit der Stadt einige Umbauten durchführen und vor allem die Empore zu einem Tagungszentrum einhausen. Neben besonderen Gottesdiensten, Konzerten, auch Benefizkonzerte z.B. für die Ukrainehilfe, Ausstellungen, Theaterwochen, Filmabende, besondere Kunstprojekte usw. hatten wir auch internationale workshops, mehrfach auch mit Aktion Sühnezeichen, durchgeführt. Zu den verschiedenen Ausstellungen, die wir zeigen konnten, gehörte auch eine Ausstellung über die schlesischen Friedenskirchen in Schweidnitz und Jauer. Seit über 15 Jahren wir in der Friedenskirche im Dezemberdas von polnischen Pfadfindern an unsere Stadt überreichte Friedenslicht von Bethlehem an alle Interessierte weitergereicht. Nach unseren Möglichkeiten bemühen wir uns, auch zu bestimmten Zeiten die Friedenskirche für Besucher offenzuhalten. Die Eintragungen im Gästebuch zeigen nicht nur die Vielfalt der Besucher, viele aus Polen, sondern auch, wie sehr die Kirche als ein spiritueller Raum empfunden wird, auch wenn sie keine Gemeindekirche mehr ist.
Mit der Einweihung der Umbauten 2008 hatten wir unseren Vereinsnamen in Oekumenisches Europa-Centrum Frankfurt (Oder) e.V.“ geändert. Wir nennen uns nicht mehr Förderkreis. Wichtig ist uns, dass wir uns in erster Linie als ein Netzwerk verstehen. Darum sind wir auch sehr an Kooperationen mit anderen deutsch-polnischen Vereinen interessiert. Wie schon erwähnt, werden unsere Räumlichkeiten in der Friedenskirche schon jetzt von anderen Initiativen genutzt. Zu unserem Netzwerk gehört u.a. auch das katholische Studierendenzentrum Parakletos in Slubice.
Seit vielen Jahren beteiligt sich das OEC am offiziellen Programm des Europatages am 9.Mai mit eigenen Veranstaltungen. 2019 fand in der Friedenskirche ein Podiumsgespräch mit fünf deutschen und polnischen Bischöfen statt zum Thema „80 Jahre nach dem Überfall auf Polen – von der bleibenden christlichen Verantwortung für den Frieden.“ Unter ihnen wieder der Senior-Primas von Polen, Erzbischof Muszynski und der Erzbischof von Berlin, Heiner Koch. In dem anschließenden ökumenischen Gottesdienst predigte der damalige evangelische Bischof von Berlin, Markus Dröge. Wir freuen uns, dass am 1.September 2019 auch ein ZDF-Fernsehgottesdienst aus der Friedenskirche übertragen wurde, in dem der damalige EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Bedford-Strohm die Predigt hielt.
Als eine Frucht des jahrelangen Bemühens des OEC fand anlässlich seines 25 jährigem Bestehens das erste deutsch-polnische ökumenische Konsultationstreffen der Bischöfe in Frankfurt (Oder) mit der krönenden Festveranstaltung in der Friedenskirche statt. An diesem Treffen nahmen 18 Bischöfe und Bischofsvertreter teil. Das war für uns das größte Geburtstagsgeschenk.
Gefreut haben wir uns auch, als wir 2020 den Ökumenepreis des Ökumenischen Rates Berlin Brandenburg in der Canisiuskirche in Berlin entgegennehmen durften. Aus Frankfurt waren über 20 Personen dabei. Das war auch ein guter Zeitpunkt, meine jahrzehntelange Verantwortung als Vorsitzender des Vereins in jüngere Hände zu legen. Mein Nachfolger als Vorsitzender wurde Superintendent Frank Schürer-Behrmann.
Nun komme ich zum Schluss. Wir freuen uns, dass das OEC dazu beitragen konnte und hoffentlich noch lange beitragen wird, dass viele Kontakte zwischen Deutschen und Polen entstehen konnten und entstehen. Aber die Aufgabe bleibt nach wie vor, gerade, wo Europa wieder auseinander zu driften droht, Vorurteile abzubauen, Brücken zu bauen und ein gutes Miteinander zu fördern. Diesem Anliegen möchte sich das OeC auch in Zukunft stellen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.